Eine kleine Geschichte der Stiftung Ostwestpassagen
Bereits in den Monaten nach „Nine- Eleven“ (2001) fiel uns auf, dass auch kritische und weltoffene Freunde und Bekannte begannen, sich abfällig über Menschen aus dem vorderen Orient und Nordafrika zu äußern. Besonders auffällig war die Zunahme von stereotypen, verzerrenden und vor allem negativ konnotierten Betrachtungen über deren unterstellte Eigenschaften und Weltanschauungen – insbesondere über ‚den‘ Islam und über ‚die‘ Muslima. Die Ressentiments verstärkten sich, als 2015 große Zahlen von Menschen aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan vor Krieg, Gewalt und Terror nach Deutschland flüchteten.
Jetzt stellte sich der Gesellschaft die Aufgabe, für die ankommenden Menschen eine sichere Bleibe zu schaffen und für sie auch angemessene Integrationsmöglichkeiten zu bieten.
Wir entschieden uns, einen Beitrag zu leisten und aktiv der Ablehnung, den Vorurteile und der weitgehenden Unkenntnis über die aus ‚orientalischen‘ Ländern ankommenden Menschen und ihren Lebenswelten zu begegnen: Wir wollten Türen und Fenster zu ihren Kulturen öffnen, wollten den Blick auf sie weiten und das Verständnis für sie fördern, indem wir von ihrer kulturellen Vielfalt und von den schon lange bestehenden, wechselseitigen Einflüssen zwischen Europa, dem vorderen Orient und Nordafrika, der MENA-Region, erzählten.
Eine solche Wissensvermittlung, eine Antwort auf einseitige, entwertende Zuschreibungen und Geschichten kann nicht in einer romantisierenden, unkritischen Darstellung der Regionen und ihrer Menschen bestehen. So bemühen wir uns bis heute um einen Raum der Verständigung, in dem Vielschichtigkeit, Vielfalt, Widersprüchlichkeiten, Kritik und Schönheit ihren Platz haben können.
Als Einstieg und als Experiment planten wir für das Jahr 2015 vier Veranstaltungen. Wir hatten dafür vier „Powerfrauen“ aus dem islamisch geprägten Iran ausgewählt.
Die inhaltliche Planung war nun zwar fertig, aber wir hatten keine Räume für die Veranstaltungen. Wir sind Werner Heinz dankbar, dass er die Verbindung zur FABRIK herstellte und uns anbot, das Kellergewölbe der FABRIK kostenfrei zu nutzen. Dieses Kellergewölbe war damals ein bekannter Veranstaltungsort für Musik- und Diskussionsabende. Wir hatten nun einen schönen Raum mit einem Gastronomieangebot gewonnen. Von da an entstand eine freundliche und konstruktive Kooperation mit der FABRIK und deren Inhaberin, der Peter Paul und Emmy Wagner-Heinz-Stiftung. Die Stiftung unterstützt uns bis heute.
Für unser Ansinnen schien uns der Namen „Kulturinitiative Ostwestpassagen“ passend. Die Initiatoren und Aktivisten waren Christoph Kasten, Dr. Brigitte Wiemann- Djafari und Nader Djafari.
Wir luden zunächst Freundinnen und Bekannte ein, ohne zu wissen, welche Resonanz die Einladung haben könnte. Unser Experiment gelang: Alle vier Abende fanden großen Anklang, so dass wir nach dem ersten Jahr beschlossen haben, weiterzumachen.
Wir haben dann 2016 und in den folgenden Jahren etwa vier Informations- und Dialog-Veranstaltungen pro Jahr angeboten. Da die FABRIK ab Herbst 2022 wegen Sanierungsarbeiten nicht zur Verfügung steht, nutzen wir seit dem andere Veranstaltungsorte.
Bisher (September 2025) haben 40 Veranstaltungen mit qualifizierten, engagierten Referentinnen und Referenten stattgefunden. Eine Übersicht ist über den folgenden Link zu finden:
https://www.ostwestpassagen.net/index.php?article_id=5
Ab März 2016 erweiterten wir unser Angebot um die Filmreihe „Filme des Orients“. Mit dem Programmkino „Orfeo‘s Erben“ in Frankfurt konnten wir vereinbaren, dass wir Filme aus der MENA-Region auswählten und dass das Kino unserem Publikum den entsprechenden Film an einem Abend zeigte. Für die Filmauswahl konnten wir den Film- Fachmann Werner Schneider-Quindau, gewinnen, der auch vor jeder Aufführung eine kurze Einführung gab. Das Kuratoren-Team für die Filmauswahl bestand aus Christoph Kasten, Werner Schneider-Quindau und Nader Djafari. Werner Schneider- Quindau schied aus, weil er zu unserem großen Bedauern ganz plötzlich und viel zu früh gestorben ist.
Seitdem wird das Film-Team durch Irina Grassmann (Leiterin der Medienzentrale der EKHN) unterstützt. Bis Januar 2020 hatten wir 26 Filme gezeigt.
Die Pandemie beendete diese Reihe zunächst abrupt.
Während der Pandemie ist es aber gelungen, unsere Informations- und Dialogveranstaltungen online anzubieten. Auch die Online-Veranstaltungen sind gut angenommen worden. Es bildete sich eine „Community“ heraus, und wir erhielten von verschiedenen Personen Anregungen und Unterstützung. Diese Online-Veranstaltungen wurden nur möglich durch die Unterstützung von Dr. Sabine Beck, Renate Böning und Hardy Adamczyk. Das Team der FABRIK , insbesondere Karin Wagner und Jacqueline Kienle sowie der Vorstand der Wagner-Heinz-Stiftung, Karsten Heidebrecht, war und ist ein wichtiger Unterstützer unserer Arbeit.
Nach der Pandemie hatte das Kino Orfeo’s Erben sein Konzept geändert, so dass wir gezwungen waren, eine neue Spielstätte zu finden. Es gelang, eine Kooperation mit dem Programmkino „Harmonie“ von den Frankfurter Arthouse Kinos zu vereinbaren.
Für die Filmauswahl wurde nun ein neues Kuratoren-Team gebildet: Dr. Brigitte Wiemann-Djafari, Irina Grassmann und Nader Djafari.
Seit Januar 2024 können wir die Reihe „Filme des Orients“ nun weiterführen. Unser Publikum hat den Neu-Start gut angenommen. Häufig sind die Filmvorführungen ausgebucht.
Durch unser Publikum ermutigt, gaben wir der inzwischen erfolgreichen „Kulturinitiative Ostwestpassagen“ ab 2022 einen formalen Rahmen und gründeten die „Stiftung Ostwestpassagen“. Ziele der Stiftung:
https://ostwestpassagen.net/index.php?article_id=3
Die Stiftung Ostwestpassagen ist eine Treuhandstiftung. Die Treuhänderin ist die Peter Paul und Emmy Wagner-Heinz- Stiftung.
Das Kuratorium der Stiftung Ostwestpassagen besteht aus fünf Personen:
Frau Irina Grassmann
Frau Dr. Brigitte Wiemann- Djafari
Herr Karsten Heidebrecht
Herr Philipp von Knebel
und Nader Djafari
Inzwischen hat die Stiftung auch eine Internetseite
Auf der Startseite ist folgendes zu lesen:
„In Frankfurt besteht eine lange Tradition bürgerschaftlichen Engagements. Bürger werden initiativ und beteiligen sich an der Gestaltung des kulturellen Lebens der Stadt. In dieser Tradition sieht sich unsere Stiftung.
“Ostwestpassagen” ist eine private und ehrenamtlich geführte Stiftung. Sie leistet Beiträge zum Dialog der Kulturen und konzentriert ihre Arbeit auf einen friedensfördernden Diskurs zwischen Orient und Okzident. Dem Namen der Stiftung folgend werden Veranstaltungen durchgeführt, die vielfältige und vielschichtige Verbindungslinien zwischen den Kulturen aufzeigen und das gegenseitige Verständnis fördern. Die „Ostwestpassagen“ öffnen Zugänge zu teilweise unbekannten Lebenswelten und regen an zum Austausch über unterschiedliche, bisweilen gegensätzliche oder gemeinsame Interpretationen fremder Kulturen. Dabei bemühen sich die Initiatoren um eine differenzierte Wahrnehmung jenseits von Idealisierung und Entwertung.“
Die Arbeit der Stiftung findet stets in Kooperation mit anderen Institutionen und mit Expertinnen und Experten der jeweiligen Themen der Veranstaltungen statt. Eine Übersicht über die Kooperationspartner ist zu finden unter dem Link:
Ostwestpassagen Frankfurt | Kooperationen
Von Brigitte Wiemann-Djafari und Nader Djafari
Frankfurt/M. im September 2025